Zu spießig für Berlin?
Manchmal frage ich mich, ob ich zu spießig für Berlin werde oder Berlin zu spießig wird für mich. Hier geht es zwar immer noch anders zu, als im Rest Deutschlands. Das Leben ist bunter, hektischer und wilder als in den meisten anderen Städten, hier ist rund um die Uhr Action und Party. Aber auch hier hat ein Wandel eingesetzt, der dieser Unbekümmertheit und dem wilden, urbanen Leben, das Berlin für mich so interessant gemacht hat, entgegensteuert. Diese Entwicklung wird von Behörden, Unternehmen und Einwohnern teils bewusst und teils unbewusst gesteuert und gelenkt. Es bedeutet oftmals, dass es Einschränkungen gibt oder lieb gewonnene Möglichkeiten sich verschließen oder zumindest einschränken. Wer hier in ein Restaurant will, muss dazu nämlich nicht mehr nur in den angesagten Sterne-Restaurants oder den beliebten Promi-Lokalen reservieren.
Heutzutage gibt es neue In-Bezirke mit eigenen In-Restaurants. So kam es schon vor, dass ich beim Mexikaner in Prenzlauer Berg Schlange stehen musste oder in kleinen Falafel-Imbissen ein Großteil der Tische reserviert vorgefunden habe. Die Zeiten der spontanen Besuche in den vielen kleinen Restaurants scheinen vorbei zu sein, schließlich gibt es so viele Blogs und Kommentare über die sozialen Netzwerke wie Facebook oder Instagram, dass es nicht lange dauert bis die Hipster der Stadt über trendige Restaurants, Bars, Undergroundclubs oder sonstiges Bescheid wissen und anfangen diese zu bevölkern. Das nur als Beispiel aus dem Bereich Essen & Trinken. Als weiteres Beispiel wurde den Hundebesitzern Berlins untersagt, dass die Tiere nicht mehr mit an die Badestellen des Schlachtensees mitgenommen werden dürfen. Im Görlitzer Park dagegen traten enorme Probleme mit Drogendealern so enorm, dass Hasch dort nicht mehr geduldet werden soll.
Ein Aufschrei gegen diese Maßnahmen blieb dabei jedoch aus. Es war klar, dass Berlin sich nicht unendlich als unfertige, billige Stadt fortentwickelt wird. Es gibt weiterhin spannende Orte, in denen die Entwicklung vielleicht etwas langsamer läuft als in trendigen Gegenden wie Mitte, Kreuzberg oder Prenzlauer Berg. Gerader die multikulturelle Kultur in Berlin und der ständige Zuwachs durch die Ansiedlung von Unternehmen, dem Zuzug von ausländischen Fachkräften und deren Familien tut meiner Meinung nach der Entwicklung gut und steht für ein internationales Berlin. Ich freue mich, fremde Sprachen und Kulturen an meinem Wohnort kennen lernen zu können und neue Leute kennen zu lernen. Dabei finde ich es unpassend, von Bürokraten und Behörden Vorgaben diktiert zu bekommen die mein Leben einschränken und mich zum Spießer machen – oder aus Versehen machen lassen. Denn an manche Vorgaben und Gesetze gewöhnt man sich schneller als einem lieb ist, ob man diese für sinnvoll empfindet oder nicht.
Ob zu spießig für Berlin oder Berlin zu spießig für mich, es gibt wunderbare Ecken in dieser schönen Stadt und die stetige Fortentwicklung gehört für Metropolen dazu. Davon leben diese Städte und deren Menschen und genau das unterscheidet sie von den „normalen“ Städten der Welt.