Topografische Karte von Deutschland mit Brillenglas, das Berlin zeigt.

Von New York nach Berlin: Liebeserklärung eines Amerikaners an die neue Heimat

In Berlin leben aktuell 22.694 Amerikaner – und ich bin einer von Ihnen. Ich heiße Richard, bin 45 Jahre alt, in New York groß geworden und nenne Berlin inzwischen seit 22 Jahren meine Heimat. Ja, richtig gelesen: Ich bin ursprünglich aus der Stadt, die niemals schläft – was in aller Welt hat mich dazu veranlasst, aus den USA nach Berlin und somit nach Deutschland zu ziehen? Hierzu muss ich etwas ausholen. New York beeindruckt auf den ersten Blick mit seiner imposanten Größe und weckt bei Touristen aus aller Welt Wünsche und Sehnsüchte. Schaut man aber einmal genauer hinter die Kulissen, ist dort seit Jahren nicht mehr alles Gold, was glänzt. Die katastrophale Politik der George W. Bush-Ära, die mit Donald Trump ihren absoluten Tiefpunkt erreicht hat, setzt meinem Geburtsort schwer zu. Fernab der Wall Street, der Freiheitsstatue, der 5th Avenue und dem Central Park verbergen sich eine kaputte Wirtschaft, horrende Lebenskosten, ein schlechtes Gesundheitssystem, eine marode Infrastruktur sowie eine hohe Kriminalitätsrate und ethnische Spannungen. Letztere sind vielleicht nicht so ausgeprägt wie in anderen Teilen der USA, aber sie sind seit Trump spürbar angewachsen.

Mann macht Seifenblasen für kleines Kind, das vor dem Brandenburger Tor in Berlin steht.

Meine neue Heimat in Berlin gefunden

Ich hatte die Nase gestrichen voll von New York: Permanenter, künstlich aufgebauter Stress bei der Arbeit, eine oberflächliche Scheinwelt voller Zwangsoptimierungen und das Gefühl, seelisch eingeengt und keine Luft mehr zum Atmen zu haben, waren nichts für einen Freigeist wie mir. Vor gut 30 Jahren kam ich das erste Mal nach Berlin mit meinen Eltern und später habe ich durch meinen Freund Jason, der dort bereits seit zwei Jahren lebte, die Stadt sowie die Kulturszene kennengelernt. Was soll ich sagen? Ich habe mich sofort in Berlin verliebt, auch in eine richtig echte Berlinerin, und beschlossen, dort hinzuziehen! Allein die beeindruckende Geschichte: Mittelpunkt Preußens des „Alten Fritz“, dann Epizentrum der Kultur in den goldenen 20er-Jahren – und danach hat die Stadt trotz Nationalsozialismus, Mauerbau, DDR-Regime usw. ihren eigenen Willen behalten und Freiräume für Menschen aus der ganzen Welt wie z. B. mir geschaffen.

1998 war es dann soweit

Alle bürokratischen Hürden waren geschafft, ich wagte den Sprung über den Großen Teich und erhielt Starthilfe von meinen amerikanischen und deutschen Freunden. Anfangs war manches natürlich ein regelrechter Kulturschock: Viel Bürokratie, die Öffnungszeiten der Geschäfte fernab von 24/7, der raue Charme waschechter Berliner, eine langsamere Lebensart – daran musste ich mich natürlich erst einmal gewöhnen. Aber ich ließ mich darauf ein und habe es seitdem niemals bereut. Es ist diese Gelassenheit, die Berlin für mich ausstrahlt und die vielen Möglichkeiten, die sie mir kulturell und in der Freizeit bietet. Hier laufen die Dinge wesentlich gelassener und entspannter ab als in New York. Leben und leben lassen, Kollektive für freischaffende Künstler schaffen, Toleranz gegenüber Andersdenkenden walten lassen und ja, hier kann man noch verrückt sein – hier kann und konnte ich mich stets ausprobieren. Ich habe mittlerweile ein kleines Startup gegründet, betreibe nebenbei aufgrund meiner Liebe zu Vinyl einen kleinen Plattenladen und lege mit Jason gemeinsam als DJ-Duo in kleinen Soul-, Funk- und Hip Hop-Clubs auf. Berlin ist für mich Inspiration pur und das, was New York einmal war: Eine Stadt voller Möglichkeiten ohne Grenzen.